Wieso Arbeitgeber mit ihren Erwartungen an PR-Menschen ein wenig realistischer sein sollten, warum persönliche Treffen in digitalen Zeiten sehr wichtig sind, wann eine Pressemitteilung Sinn macht, was wir in der Kommunikation von den Amis lernen können…
Das sind nur ein paar -von vielen interessanten- Fragen, die PR-Profi Tilo Bonow im aktuellen PRleben-Interview beantwortet.
Was genau ist dein Job und wie bist du dazu gekommen?
Ich bin Gründer und CEO von PIABO, Europas führendem Full-Service-PR-Partner für die Digitalwirtschaft mit Sitz in Berlin. Basierend auf meinen Erfahrungen als Investor, Unternehmer und Geschäftsführer ist es mein persönliches Anliegen Tech-Unternehmer dabei zu unterstützen, ihre Potenziale bestmöglich medial zu vermarkten, Wachstumsziele zu erreichen und die Marktführerschaft zu übernehmen.
Wir wollen Gründern und Unternehmern in Beratungskompetenz und aktivierendem Storytelling ein bestmöglicher Partner sein und ihnen Zugang zu unserem globalen Netzwerk geben. Gemeinsam wollen wir sie unterstützen, ihre Ziele zu erreichen. Deshalb entwickeln wir mit ihnen spannende Geschichten für Journalisten, Multiplikatoren und Influencer.
Begonnen habe ich bei einer Werbeagentur, die damals schon auf Technologie-Themen spezialisiert war. Wir betreuten dort einen der ersten Internetprovider sowie E-Commerce-Shops. Das war sehr spannend und lehrreich. Anschließend wechselte ich ins PR-Fach und arbeitete für eine international agierende PR-Agentur. Dort arbeitete ich unter anderem für diverse Venture-Capital-Fonds. Ich habe auch immer wieder Ausflüge in den Journalismus gemacht und schlussendlich trieb es mich für einige Jahre zu den Samwer-Brüdern.
Dort begleitete ich unter anderem Unternehmen wie Jamba, die Mobile Entertainment Company, I Love, das damals führende Online-Dating-Portal oder auch den European Founders Fund. Dabei bemerkte ich, dass es im deutschsprachigen Raum keine Agentur gab, die sich wirklich mit Leidenschaft und tiefem Verständnis um schnell wachsende Start-Ups und globale Technologie-Unternehmen kümmerte. Niemand verstand deren Geschäftsmodelle oder Arbeitsweise, samt der rasanten Geschwindigkeit, in der sich die Unternehmen entwickelten.
Die Unternehmen kamen mit einer ganz neuen Form des Storytellings und ich setzte mir das Ziel, der erste Ansprechpartner und bestmögliche Partner für neue spannende Unternehmen der Digitalwirtschaft zu werden.
Hast du so etwas wie einen typischen Arbeitstag? Wie sieht der aus?
Mein typischer Arbeitstag beginnt um sieben Uhr morgens. Ich verschaffe mir zunächst einen Überblick über die Nachrichtenlage. Aufgrund der Zeitverschiebung habe ich morgens am meisten mit unseren Kontakten, Netzwerk und Kunden in Asien zu tun. Ich beantworte Mails und schaue, was lokal aktuell und in aller Munde ist. Parallel schaue ich, was aus dem Silicon Valley reingekommen ist. Anschließend nehme ich mir Zeit für E-Mails aus unserer Zeitzone, um fokussiert meinen Tag zu planen.
Mein Vormittag ist dann von internen Meetings mit dem Management-Team sowie u.a. Brainstormings geprägt. Auch externe Kundentermine gehören dazu. Einer meiner Grundsätze heißt: “Never eat alone” – Stichwort Netzwerkpflege. Ich verabrede mich zum Lunch immer mit Journalisten, Kunden, Mitarbeitern oder Partnern. Am Nachmittag geht die Sonne im Silicon Valley auf, weshalb die Calls in Richtung USA dann stattfinden.
Die Abende sind typischerweise mit Netzwerkveranstaltungen, Dinnern, Vorträgen und Auftritten gefüllt. Das ist mein “Berlin-Tagesablauf.” Wenn ich nicht hier bin, dann ist mein Tag vom Frühstückstermin bis hin zum Dinner am Abend noch stärker durchgeplant. Ich versuche, meinen “Nicht-Berlin-Tagesablauf” so intensiv wie möglich zu planen. Wenn ich schon in einer anderen Stadt oder gar einem anderen Land bin, dann möchte ich diese Möglichkeit auch effizient nutzen und möglichst viele Leute treffen.
Was bedeutet für dich gute PR?
Gute PR bedeutet für mich, dass Geschichten erzählt werden, die einen Impact haben. Geschichten, die wirklich auch ein Ziel haben. Im besten Fall inspiriert eine Geschichte, also ein Artikel oder eine Sendung, Menschen dazu, etwas zu tun, sich näher mit einem Thema zu beschäftigen und ihr Interesse zu wecken, egal ob es B2B oder B2C ist. Was ist wirklich spannend und interessant? Wie können wir Menschen bewegen und Neugierde wecken?
Insbesondere B2B-Gründer in Deutschland denken, dass B2B-Themen langweilig seien und niemanden interessieren. Im Silicon Valley würde man gar nicht auf die Idee kommen, so etwas zu sagen. Dort ist man begeistert von seiner Idee und will die Welt verändern. Insofern macht das für mich gute PR aus.
Dieses Gespür für inspirierendes Storytelling ist es auch, was ein guter PR-Profi mitbringen muss. Trotzdem bin ich manchmal überrascht, was alles von PR-Leuten erwartet wird. Viele in der Branche fordern die eierlegende Wollmilchsau. Man soll toller Texter sein, super pitchen können und ein mega Netzwerk pflegen. Gleichzeitig soll man sich auf allen Social-Media-Kanälen bestens auskennen und eine tolle Beraterpersönlichkeit sein.
Ich glaube, jeder PR-Berater hat sein eigenes Gebiet, auf dem er gut ist. Deswegen werden alle unsere Kunden auch nur im Team mit mindestens drei Personen betreut. Wir glauben, jeder hat seine Stärken und Schwächen und diese wollen wir auch berücksichtigen.
Ist die Digitalisierung für die PR-Branche Chance oder Risiko?
Die Digitalisierung ist eine wahnsinnige Chance für die gesamte Branche, denn Dezentralisierung und Automatisierung eröffnen tolle neue Möglichkeiten. Damit sich unsere Kollegen voll und ganz auf Themen wie Relationship Building, Media Relations und Storytelling konzentrieren können, automatisieren und digitalisieren wir alles, was automatisiert und digitalisiert werden kann.
Ich gebe ein Beispiel: Die Terminfindung von Calls wird bei mir komplett über künstliche Intelligenz (KI) abgewickelt. Das funktioniert wunderbar. Niemand muss sich bei uns intern damit beschäftigen, langwieriges E-Mail-Pingpong zu spielen. So können wir uns auf das konzentrieren, was wirklich einen Mehrwert für unsere Kunden bringt. Insofern ist das Thema Digitalisierung in der PR-Branche ein ganz klares Plus.
Was ist dir persönlich im Umgang mit Journalisten / Berichterstattern wichtig?
Mir ist es wichtig, der bestmögliche Partner zu sein. Auf der einen Seite möchte ich inspirieren, indem ich Ideen, Hintergrundinformationen und Marktwissen teile, das Journalisten und Berichterstatter so vielleicht noch nicht gehört haben. Auf der anderen Seite ist mir wichtig, bei der Umsetzung einer Story zu helfen und Türen zu öffnen, die sonst vielleicht nicht aufgehen.
Da haben wir als Firma einen sehr hohen Anspruch. Jeder Mitarbeiter soll eine echte Unterstützung, ein echter Support für Journalisten oder Berichterstatter sein. Jeder soll wissen, wenn wir dabei sind, dann wird das eine professionelle, saubere und verlässliche Zusammenarbeit.
Welchen Stellenwert hat Social Media für dich?
Die eigenen Kanäle gewinnen an Bedeutung. Wenn ich meine eigenen Profile anschaue, sehe ich, welche Reichweiten auf z.B. LinkedIn möglich sind. Das erreicht man bei den einschlägigen Kommunikationsfachzeitschriften bei weitem nicht. Wir reden hier von Zahlen im mittleren fünfstelligen Bereich.
Addiert man dann die großen Plattformen wie Twitter, Instagram oder Facebook zusammen, kommt man auf Reichweiten, die manche regionale Tageszeitung oder Fernsehsender nicht vorweisen können. Hier beraten wir unsere Kunden aktiv dabei, wie sie Social Media am besten nutzen. Auch wenn Social Media generell kein neues Thema mehr ist, gewinnen der Fokus auf Owned & Shared Media bei Kunden rasant an Bedeutung.
Welches sind deine drei liebsten Plattformen und warum?
Für mich persönlich sind LinkedIn, Twitter und Instagram drei ganz essenzielle Plattformen. Jede einzelne nutze ich etwas unterschiedlich. Instagram ist persönlicher und näher an meiner Person. Twitter sehe ich für mich als ein Tool, um Debatten zu verfolgen und auf spannende Themen und Artikel hinzuweisen. Dort lese ich auch, was andere Multiplikatoren gerade interessiert und kann im gleichen Zuge aktiv an der Debatte teilnehmen. LinkedIn ist als Business-Plattform die spannendste Plattform für mich. Nicht nur, was die Reichweite angeht, sondern auch, was die Qualität des Netzwerks betrifft.
Wie wichtig ist das Thema Personal Branding für dich?
Das Thema Personal Branding – der Mensch als Marke – ist eines meiner Lieblingsthemen, wenn nicht sogar mein liebstes Thema! Im heutigen Zeitalter der Digitalisierung wird der Faktor Mensch unersetzlich. Menschen interessieren sich für andere Menschen, das war schon immer so und das wird sich in Zukunft auch nicht ändern. Dabei spielt Authentizität eine wichtige Rolle. Sie verhilft uns dazu, uns auf unsere eigene Art und Weise darzustellen und so einen echten Impact auf unser Business zu haben. Man denke nur an Apple und Steve Jobs!
Leider ist das Thema Personal Branding hier in Deutschland nicht so populär. Man möchte eher das Produkt für sich sprechen lassen, statt selber auf die Bühne zu gehen. Da gibt es auf jeden Fall viel Aufholbedarf! Ich bin der Meinung, jeder, der ein Unternehmen leitet oder sich in einer führenden Position befindet, sollte sich mit diesem Thema auseinandersetzen.
Wie wichtig findest du persönliche Kontakte im digitalen Zeitalter?
Der persönliche Kontakt wird gerade im digitalen Zeitalter immer wichtiger. Es ist ja mittlerweile ein Phänomen, dass man sich Menschen, die man auf Twitter, Instagram, Facebook und LinkedIn sieht, viel näher fühlt, als man ihnen eigentlich ist. Das rührt unter anderem daher, dass einige denken, man ist befreundet, weil man drei Posts geliked hat. Und dann wundern sie sich, wenn sie keine Antwort bekommen oder wenn eine Geschäftsbeziehung doch nicht so funktioniert, wie sie es sich vorgestellt haben.
Daher finde ich, der persönliche Kontakt geht über alles. Außerdem habe ich eine unglaubliche Neugier auf Menschen, sie kennenzulernen, sie zu verstehen und mich mit ihnen auseinanderzusetzen. Langfristige und tiefe Beziehungen sind das absolute A und O – gerade in Zeiten der Digitalisierung.
Was würdest du einem jungen Menschen raten, der nach dem Abi in die Kommunikationsbranche möchte? Welchen Weg sollte er einschlagen?
Ich würde ihm raten, ein Praktikum zu machen! Gerade nach dem Abi ist man noch sehr jung und hat die Zeit, Dinge zu testen. Bei mir war es ähnlich. Das ist ja das Schöne an der Kommunikationsbranche, es gibt viele Quereinsteiger, für jeden ist etwas dabei.
Wenn man sich für Mode interessiert, gibt es PR-Agenturen, die sich mit Mode auseinandersetzen. Wenn man sich für Politik interessiert, gibt es Agenturen, die darauf spezialisiert sind. Wenn man sich für die Zukunft, Innovation und Technologie interessiert, dann sind wir sicherlich die erste Adresse.
Meines Erachtens ist nach dem Abi erstmal ausschlaggebend, wie man sich Wissen aneignen möchte. Da stellt sich die Frage: Ist man der Typ, der fünf Jahre studiert? Oder ist man doch eher der Typ, der den kurzen Weg geht und über eine Ausbildung im Kommunikationsbereich einsteigt? Jeder hat andere Fähigkeiten und Talente. In der Kommunikationsbranche geht es vor allem darum, ein Netzwerk aufzubauen und langfristige Beziehungen zu pflegen. Das ist etwas, das schwierig an einer Universität zu lernen ist, da braucht man den Praxisbezug. Und ich persönlich glaube leider, dass das Bildungssystem heutzutage oft nicht mehr zeitgemäß ist.
Würdest du sagen, dass jeder PR-Manager auch mal journalistisch gearbeitet haben sollte?
Wir lieben PR-Berater, die journalistische Erfahrung haben. Generell glaube ich, dass es entscheidend ist verschiedene Erfahrungswerte zu sammeln. Bei uns haben viele Mitarbeiter beim Fernsehen oder bei Zeitungen angefangen. Natürlich kann man dies nicht von jedem erwarten, aber da achten wir schon sehr darauf. Wir haben bei uns ja auch Kollegen, die sogar beides machen. Sie sind sowohl redaktionell als auch bei uns in der Agentur aktiv. Von der Erfahrung profitieren beide Seiten. Insofern, auf jeden Fall ein ganz klares Ja!
Wie stehst du zu Pressemitteilungen?
Mit Schlagzeilen à la “Die Pressemitteilung ist tot” versuchen viele, Aufmerksamkeit zu erhaschen. Wir sehen das ein bisschen anders. Generell geht es erstmal darum, eine gute Geschichte zu erzählen. Die Pressemitteilung kann ein Transportmittel sein. Wir haben sehr viele große amerikanische Unternehmen, die, wenn überhaupt, nur einmal pro Jahr eine Pressemitteilung verschicken.
Das ständige Meldungen Verschicken ist eher ein deutsches Phänomen, wenn auch hierzulande die Zahl der Pressemitteilungen rapide abnimmt. Den Sinn und Zweck muss man von Fall zu Fall abwägen. Hier liegt es an der Beratungskompetenz der Agenturen, zu sagen, wann dieses Mittel mehr und wann weniger Sinn macht. Wenn ich mit einem Journalisten spreche, ist es durchaus ratsam, im Nachgang alle Informationen noch einmal verschriftlicht zu schicken.
Eine Pressemitteilung ist aber nicht dafür geeignet, nach dem Motto “Spray and Pray” eine Nachricht an 5.000 Journalisten zu schicken. Hier rührt ihr negative Image her. Eine Pressemitteilung muss zielgerichtet adressiert werden und kann dann auch von hohem Wert sein.
Vielen Dank, lieber Tilo.