Nein, keine Sorge, ich teile jetzt hier nicht, dass „Paw Patrol“ das absolute „Must See“ ist…
Wobei es seit dem kurzen Besuch meines fünfjährigen Neffen vor 2,5 Wochen immer wieder in meinen Netflix-Empfehlungen auftaucht. Wirkt ganz interessant zwischen Gilmore Girls, Inventing Anna und Haus des Geldes…
Aber lassen wir das. Diese Geschichte wird wahrscheinlich ohnehin schon etwas länger.
Es geht darin um einen viralen Post auf Twitter und eine bundesweite Medienberichterstattung, mit der keiner von uns gerechnet hatte.
Es sollte einfach nur ein nettes Familienfrühstück sein. Mein Bruder aus Lüdenscheid war mit seiner Frau und seinem kleinen Sohn Thees bei uns in Köln zu Besuch.
Nachdem ich keine Lust mehr auf Versteckspielen hatte, schlug ich vor, eine Flaschenpost zu basteln.

Thess fand die Idee super. Hat eine Schatzkarte gemalt, seine Adresse haben die Erwachsenen dann auf den Zettel geschrieben und in die alte Weinflasche gesteckt. Alles mit einem Korken verschlossen. Und dann im Kölner Rheinauhafen auf die Reise geschickt.
Damit er nicht zu traurig ist, wenn ihm niemals jemand antwortet (kommt bei einer Flaschenpost ja meistens vor), haben wir ihm erzählt, dass sie vielleicht bis nach Amerika schwimmt. Das fand er ziemlich gut.
Doch genauso gut fand er den Brief der Kölner Feuerwehr, der drei Tage später bei ihm zuhause ankam.

Ich persönlich fand diesen liebevollen Brief mindestens so großartig wie der kleine Thees. Deshalb habe ich mich auf Twitter öffentlich bei der Feuerwehr Köln dafür bedankt.
Für viele ist Twitter ja eigentlich ein Pöbel- und Mecker-Kanal für mich nicht. Meiner Meinung nach kann man hier auch einfach mal „DANKE“ sagen.
Gesagt getan.
Den Post habe ich am 16. Februar so gegen 17 Uhr abgesetzt. Die Reaktionen bis zum folgenden Morgen: In Ordnung.
Als ich um 8.30 Uhr ins Auto gestiegen bin, habe ich zu meinem Mann gesagt: „Wow, der Flaschenpost-Tweet hat 50 Likes“.

Eine halbe Stunde später, angekommen an meinem Zielort, waren es auf einmal 150 Likes und einige Shares und Kommentare. Und dann hat das Ding so richtig Fahrt aufgenommen.
Zum ersten Mal habe ich an einem eigenen Post das gesehen, was ich sonst nur aus lustigen GIFs kenne: Like-Zähler die im Sekundentakt nach oben schießen. Ganz plötzlich. Einfach so.
Und hier mein erstes Learning:
1. Viralität ist nicht planbar
Gegen 11 Uhr hat sich eine Redakteurin vom WDR bei mir gemeldet. Sie wollten gerne fürs Fernsehen über die Flaschenpost, meinen Neffen, die Kölner Feuerwehr und Co berichten. Da mein kleiner Neffe, allerdings nicht ins Fernsehen soll, wurde nichts aus einem Dreh. Dafür ein schöner Facebook-Post.
Auch der BILD-Zeitung – die gerne einen Fotografen zu Thees und seiner Familie ins Sauerland schicken wollte, um aus dem Jungen und dem Brief eine schöne Story zu machen – habe ich die Anfrage abgesagt.
Verpixelt oder unkenntlich gemacht werden Menschen in Medien nur, wenn sie mit einem Verbrechen in Zusammenhang stehen.

Da der Kleine nicht erkenntlich in die Medien soll, ist aus der Geschichte nichts geworden. Im Laufe des Tages habe ich dann noch einigen Onlinemedien und RTL verschiedene Fragen beantwortet.
2. Die Menschen haben große Lust auf schöne Geschichten
Das ist mein Learning Nummer zwei. Dies ist mir auch von vielen Redakteur:innen bestätigt worden. Die Welt ist gerade so traurig und „böse“. Da gieren alle nach Dingen, die einfach nur schön sind!
Am Folgetag hörte das Medieninteresse übrigens in keiner Weise auf. Der Post hatte inzwischen über 5.000 Likes.
Ich gab Radio Köln ein Interview, habe überrascht festgestellt, dass STERN.de die Geschichte aufgegriffen hat. Die Tage darauf folgten neben dem Kölner Stadtanzeiger, die TZ (München), RTL News, der Münchner Merkur und nach fast zwei Wochen dann die Lüdenscheider Nachrichten.
3. Manche Storys sind auch Tage später noch aktuell
…hat mir diese ganze „Reise“ deutlich gezeigt.
In der Kommunikationsbranche und auch im Journalismus gilt die Aktualität als oberstes Gebot und wenn Medium “X” die Geschichte zwei Tage vorher hatte, macht “Y” das Ganze häufig nicht mehr. Aber hier galten andere Gesetze.

Auch kenne ich es aus der PR so, dass viele Geschichten “wie Sauerbier angeboten“ werden müssen. Etwas das nun wirklich keinen Spaß macht….
Hier war es anders:
4. Es gibt Geschichten, die sich verselbständigen
Wobei die Verselbständigung auch durchaus Nachteile hat. Denn von Bericht zu Bericht wurde die Geschichte immer etwas anders erzählt.
Am Ende befand sich die Schatzkarte nicht mehr in der Flaschenpost, sondern außen auf dem Etikett und Thees hat die Flaschenpost nicht mit seinem Vater, sondern seinem Bruder (der er gar nicht hat) in den Rhein geschmissen.
Bei dieser Story ist das kein Problem. Doch ich habe am eigenen Leib gespürt, wie sich die Erzählung verändert, ohne dass dies irgendjemand mit Absicht oder bösen Hintergedanken getan hat.
Nicht auszudenken, wie heikle Geschichten sich durch so etwas entwickeln können. Da gilt es wirklich, sehr achtsam zu sein. Als Berichterstatter:in wie als Konsument:in.

Apropos achtsam… der Post, der dann nach knapp 5 Tagen die 10.000-Like Marke durchbrochen hat, ist zum großen Teil wirklich extrem wohlwollend aufgenommen worden. Allerdings nicht überall.
Kommentare in Richtung Umweltverschmutzung waren durchaus auch darunter.
5. Kritiker kommen ganz automatisch
Wobei die respektvollen Bemerkungen in Sachen Umweltschutz ja durchaus ihre Berechtigung haben.
Reaktionen wie: “Die Eltern sollten eingesperrt werden, wenn Sie ihrem Kind so etwas beibringen” sind in meinen Augen ziemlich daneben.

Es ging um eine liebevoll gestaltete Flaschenpost und nicht darum, einfach mal Müll in Gewässer zu kippen!
Doch das Schöne ist und dies ist auch mein letztes Learning:
6. Die Community hat sich selbst reguliert
Ich musste gar nicht eingreifen. Die wirklich fiesen, haltlosen Kommentare sind von anderen Menschen aus der Community so lange angegangen worden, bis manch ein (ich nennen ihn mal liebevoll) “Extrem-Kritiker” am Ende sogar sein Profil gelöscht hat…