„Ich kenne keinen, der noch Fernsehen schaut!“

Kaum ein Mensch geht noch ohne sein Smartphone aus dem Haus. Gerade bei Jugendlichen könnte man denken, sie seien mit dem Mini-Computer komplett verwachsen. Eigentlich gibt es keine Situation, in der das Handy nicht der treuste Begleiter ist.

Wie wirkt sich das auf ihr Kommunikationsverhalten aus? Werden überhaupt noch klassische Medien konsumiert und falls ja in welcher Form? Wirkt sich das ständige „On-Sein“ auf die Konzentration aus und welche Regeln werden ihnen für den Umgang mit Social Media vermittelt – von wem überhaupt?

Wer könnte diese und weitere Fragen besser beantworten, als Teenager? Es folgt ein Gespräch mit einer 15-Jährigen Schülerin aus Köln.

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Sie geht in die neunte Klasse eines Gymnasiums und gibt uns Einblicke die selbst ihre Eltern nicht haben:

Wie viele Stunden am Tag nutzt du dein Handy und wofür?

Nicht, dass meine Mama das hört!?!

Nein, wir halten dich anonym!

Gut!

Also überschlagen, alleine am Morgen, nachdem ich aufgestanden bin, eine Viertelstunde. Und so insgesamt bestimmt zwei Stunden am Tag. Mit Seriengucken auf Netflix, wenn das zählt!?

Natürlich zählt das.

Ach so, die Serien gucke ich nämlich auf dem Handy. Also mindestens zwei Stunden, wenn nicht mehr. Wofür ich das Handy sonst noch so nutze!? Zur Kommunikation, mit meinen Freunden, also auf Whatsapp. Aber auch für sozialen Medien: Snapchat und Instagram hauptsächlich.

Was sind die drei wichtigsten Handy-Funktionen, auf die du nie verzichten könntest?

Wahtsapp für die Kommunikation. Netflix für die Unterhaltung. Und das Teilen in Social Networks. Snapchat würde ich da sagen. Ich weiß nicht, ob das als Kommunikation mit Freunden zählt, man schickt sich ja Snaps gegenseitig, aber ich habe auch so eine Story „mein-Leben“. Das ist so ein neuer Trend im Moment.

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Das ist eine Story, die können eine bestimmte Anzahl an Leuten gucken, also nur deine Freunde und da teilst du so ein bisschen dein Leben: „Hey Leute, heute habe ich das und das gemacht.“

Nutzt du Youtube?

Ja, schon.

Was schaust du da? Sind „Melina Sophie“, „Paola Maria“, BibisBeautyPalace und Co. noch angesagt bei 15-jährigen?

Nein, eher nicht. Ich kenne keinen, der wirklich noch Youtuber verfolgt. Also so BibisBeautyPalace auf keinen Fall. Shirin David geht NOCH, weil die auch Content für unsere Altersklasse macht, die ist schon interessant. Aber Bibi oder Melina Sophie oder so, da kenne ich echt niemanden, der das noch guckt. Das sind eher die 12- bis 14-Jährigen, die in diesem Youtuber-Leben drin sind.

Wir gucken eher Sachen, die uns interessieren. Also Leute, die viel zocken, gucken gute Videos über Computerspiele und ich schaue zum Beispiel immer „Das große Backen“.

Das läuft doch auch im Fernsehen!?

Ja, die haben auch einen Youtube-Kanal und da gucke ich das.

Guckst du überhaupt Fernsehen?

Nein! Also ich habe den Fernseher von meiner Mama „geklaut“. Das ist ein internetfähiger Fernseher, da gucke ich manchmal Netflix und Youtube auf dem Fernseher, weil das Bild größer ist. Aber wirklich Fernsehprogramme schaue ich nie.

Deine Freunde?

Nein, auch nicht. Manchmal vielleicht. Obwohl- nein, eigentlich nicht. Ich kenne keinen, der noch Fernsehen schaut. Es ist doch viel besser bei Netflix und Amazon Prime mit den ganzen Serien. Und die Dokus die da laufen. Jeder guckt das. Aber wir gucken nicht wirklich Fernsehen. Weil du einfach alles hast, was dich interessiert.

Und wie kommst du an Nachrichten? 

Über Social Networks. Man folgt ja auch prominenten Menschen auf Instagram oder so. Einer von uns kriegt es mit und postet es dann in seiner Story oder seinem Feed und dann verteilt sich das immer weiter.

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Oder wenn jetzt eine Freundin von mir von ihren Eltern erfährt, es gab zum Beispiel einen Terroranschlag und sie postet in ihrer Story „Oh mein Gott es gab einen Terroranschlag“, dann weiß ich das auch und poste es dann vielleicht selber in meine Story „Pray for xxx“ und dann geht das immer so weiter.

Irgendwann verteilt sich das dann auf diesen Social Networks und dadurch erfährt man es. Oder halt durch die Eltern. Sonst einfach durch dieses Teilen. Irgendeiner bekommt es mit und dann teilt es jeder.

Liest du Zeitungen oder Zeitschriften oder gar nichts mehr auf Papier?

Doch. Meine Oma zwingt mich manchmal dazu. So dass sie dann sagt „Kind, jetzt lies das mal“. Sie liest immer Zeitung und bringt mir dann die interessanten Artikel mit und zwingt mich dann, das zu lesen. Ich würde mir von selber sowas nicht kaufen. Dadurch, dass vieles davon auch im Internet vertreten ist, gibt auch keiner mehr wirklich Geld dafür aus.

Ich kenne auch niemanden, der zum Kiosk geht und sich eine Zeitschrift kauft. Weil du einfach viel im Internet nachlesen kannst. Du googlest einmal, was in der Welt passiert und 1.000 Pop-ups kommen dir entgegen und du weißt alles. Da brauchst du dir keine Zeitung mehr kaufen.

Was ist mit Radio? Hörst du noch Radio?

Ja! Ich glaube, das ist von Familie zu Familie unterschiedlich. Kommt drauf an, was für Eltern du hast. Wenn du in einer Familie aufwächst, die so gut wie gar kein Radio hört, weiß ich nicht, wie das wäre, aber wir haben eigentlich 24/7 Radio laufen. Deshalb höre ich viel Radio.

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Doch wenn ich in meinem Zimmer bin, höre ich eher meine Spotify-Playlist, statt Radio. Das Gerede im Radio interessiert einen ja auch nicht immer.

Bist du in der Schule auf den Umgang mit den sozialen Medien, dem Internet und so weiter vorbereitet worden?

Jein. Wir haben KT, also Kompetenz Training, das hatten wir in der 5ten Klasse noch mehr als heute. Da sind dann so Themen „wie man in der Klasse miteinander auskommt“ besprochen worden, aber ich meine, mich erinnern zu können, dass wir auch so was mal hatten. Was man im Internet machen kann und soll und was lieber nicht.

In der 5ten Klasse wurde mal ein Kettenbrief rumgeschickt, das war so ein Grusel-Kettenbrief, und die Eltern fanden das nicht cool. Irgendjemand hat das den Eltern erzählt und da kam dann auch dieses Gespräch auf. Aber man wird jetzt nicht konkret vorbereitet: „das darfst du machen und das darfst du nicht machen“, da habe die Lehrer auch nicht wirklich Einfluss drauf.

Aber bei uns gab es mal eine Seite, auf der anonym über Schüler unserer Schule geschrieben wurde und da kam das Gespräch schon auf, da haben die Lehrer gesagt: „Leute, das geht nicht, das dürft ihr nicht machen…“ und es wurde von der Schule auch die Polizei eingeschaltet. Die haben rausgefunden, wer die Seite ins Netz gestellt hat und das hatte dann schon Konsequenzen.

Also das Thema kommt auf, wird aber nicht im Detail besprochen. Nur so was wie: „Stellt nicht so viele private Sachen ins Netz“. Aber man wird nicht so wirklich vorbereitet. Das macht jeder für sich alleine. Das können die Lehrer auch gar nicht.

Gibt es Handy-Regeln in der Schule?

Das ist von Schule zu Schule unterschiedlich. Und eigentlich auch von Lehrer zu Lehrer.

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Ich kenne Schüler, die dürfen ihre Handys in der Schule gar nicht benutzen, auch in den Pausen nicht. Bei uns ist das so geregelt, dass wir die Handys nur im Unterricht nicht benutzen dürfen,  da müssen sie ausgeschaltet sein, außer es gibt „Sonderregeln“, wenn wir etwas googlen müssen, was mit dem Unterrichtsstoff zu tun hat.

Wenn eine Doppelstunde ist, dann haben wir ja eine 5-minuntenpause dazwischen und da gibt es eine Lehrerin, die möchte, dass wir unser Handy in dieser Zeit nicht benutzen, den anderen ist das eigentlich egal. Die sehen das zwar nicht gerne, aber da gibt es keine wirkliche Regel. Grundsätzlich: im Unterricht NEIN, in den Pausen JA.

Wie ist es denn bei Klassenarbeiten / Klausuren? Wir mussten uns früher Spickzettel machen. Man kann doch in Klassenarbeiten jetzt einfach auf die Toilette gehen, jemanden anrufen und um die Lösung bitten. Oder?

Ja klar! Und es ist auch so, dass manche die Arbeit abfotografieren und das dann ihren Nachhilfelehrern schicken und die dann die Lösungen zurückschicken. Ich weiß nicht, wie sie es machen, ich würde mich das nicht trauen und mit Sicherheit auch sofort erwischt werden. Aber ich kenn jemanden, der hat das schon drei oder viermal in Mathe gemacht.

Und man darf auch mit dem Handy zur Toilette?

Bei uns geht dafür keiner zur Toilette. Du kannst auch so spicken, das ist nicht schwer. Eine Freundin von mir saß direkt neben der Lehrerin, also die Lehrerin saß links und meine Freundin hatte ihr Handy rechts neben sich und hat dann Vokabeln abgeschrieben. Die Lehrerin hat das nicht gesehen.

Also es gibt viele Wege zu spicken. Aber auch ohne Handy: Das Heft unter den Tisch legen und die Tasche drauflegen. Aber mit Handy ist es natürlich einfacher. Es gibt ja auch diese Apple Watches, da kannst du auch Sachen drauf speichern, dann schaust du unauffällig auf die Uhr und hast da deine Vokabeln oder so drauf.

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Zweimal in meinem Leben, musste ich mein Handy bisher in Arbeiten abgeben, aber ich glaube, wenn du wirklich willst, dann kannst du dir für die Arbeit auch einfach ein zweites Handy besorgen. Du fragst einfach eine Freundin „Kann ich für die Stunde mal dein Handy haben, wir müssen unsere in der Arbeit immer abgeben. Ich mach die Vokabeln als Hintergrundbild bei dir, dann muss ich es auch gar nicht entsperren.“

Viele Menschen merken inzwischen, dass es ihnen durch Social Media immer schwerer fällt, lange Texte zu lesen und sich über einen längeren Zeitraum wirklich zu konzentrieren. Merkst du das auch manchmal oder ist das bei euch Jugendlichen nicht so?

Also meine Mutter sagt auch immer „Du kannst dich gar nicht mehr auf lange Sachen konzentrieren“. Ich glaub nicht, dass das so ist. Aber ich kann es auch nicht einschätzen, wie es wäre, wenn ich kein Handy hätte, deshalb habe ich diesen Vergleich gar nicht. Doch ich meine, wenn wir Arbeiten schreiben die 90 Minuten gehen und wir uns 1,5 Stunden total konzentrieren müssen, dann schaffen wir das auch alle. Es ist nicht so, dass da jemand nervös sitzt und sein Handy zurückverlangt. Nervös wirst du nur, wenn du es nicht kannst.

Klar ist es schon so, wenn du dich mal langweilen musst (und meine Mama hat auch gesagt „manchmal musst du dich einfach langweilen“) oder wenn du zum Beispiel Hausaufgaben machen musst und keine Lust hast und dein Handy liegt daneben, dann hast du schon dieses starke Bedürfnis, dein Handy anzugucken. Also in Arbeiten spürst du es nicht, aber sonst ist es schon so, dass du immer wieder auf ein Handy guckst, ob eine Nachricht gekommen ist oder so.

Trotzdem gibt es bei uns Leute, die auch zuhause sitzen malen oder ein Instrument spielen. Auf manche trifft das mehr, auf manche weniger zu, aber es stimmt nicht, dass die Jugend die Konzentration total verlernt hat.

Vielen Dank für die spannenden Einblicke!

2 Gedanken zu „„Ich kenne keinen, der noch Fernsehen schaut!“

  1. Silke Bicker sagt:

    Sehr spannende Einblicke! Bei einigen Antworten merke ich, dass ich es mittlerweile ähnlich oder genauso wie beschrieben halte: Fernsehprogramme werden weniger wichtig als früher, Zeitschriften seltenst gekauft und Zeitungen lese ich im Online-Abonnement.

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