„Unternehmen sollten Gesichter zeigen!“

Wenn jemand weiß, wie sich Kommunikatoren in Zeiten digitaler Medien aufstellen sollten, dann ist es Sachar Klein! Im Interview mit PRleben erzählt der Kommunikationsprofi, worauf er als erstes achtet, wenn er Bewerbungen bekommt, wie die Zusammenarbeit mit Influencern optimaler Weise laufen sollte, wieso Angst in der PR nichts zu suchen hat und vieles mehr!

Bitte stell dich doch ganz kurz vor. Was ist dein aktueller Job und wie war dein Weg dorthin?

Ich bin Sachar Klein (früher Sachar Kriwoj) und gehe mittlerweile mit großen Schritten auf die 40 zu. Ich liebe Geschichten. Gute Geschichten. Geschichten, bei denen man mitbekommt, wie das Gegenüber an deinen Lippen hängt. Das führte mich 2001 in den Journalismus und schließlich 2005 in die PR. Weil ich ein sehr neugieriger Mensch bin, habe ich neue Tools und Kanäle gerne ausprobiert und stets vor dem Hintergrund der professionellen Kommunikation bewertet. Als Praktiker.

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Sachar Klein

Mir ist es wichtig, dass ich weiß, worüber ich spreche. Also bin ich in jedem Social Network aktiv und kann daher auch meine Auftraggeber dahingehend beraten. Zwischen 2005 und 2016 war ich auf Unternehmensseite tätig – u.a. für AOL, scoyo, die E-Plus Gruppe und zuletzt bei GLOSSYBOX. Seit 2016 führe ich meine eigene Agentur – hypr. Wir sind für so spannende Unternehmen und Organisationen wie Nesta, mymuesli, Smava, Visual Statements, Code University, TopGlas, sisterMAG und noch einige andere tätig.

Was bedeutet für dich gute Kommunikation? Welche Eigenschaften sollte ein guter PR-Mensch mitbringen?

Gute Kommunikation erfordert in erster Linie die Fähigkeit, anderen Menschen zuzuhören. Wer Anderen zuhört, versteht ihre Bedürfnisse und ist auch erst dann in der Lage, sie zu befriedigen. Ansonsten bin ich, was meine Überzeugungen und Ansichten zu Kommunikation angeht, ziemlich radikal: Ich bin überzeugt davon, dass Kommunikation immer besser wird, wenn sie menschlich ist. Unternehmen sollten Gesichter zeigen – nicht nur das Eine vom Geschäftsführer oder Vorstand. 2017 sollten Unternehmen so weit sein, dass sie ihre Mitarbeiter befähigen, als Botschafter aufzutreten – auch über Social Media. Microsoft etwa macht das ganz hervorragend.

Ich bin auch davon überzeugt, dass es notwendig ist, Fehler proaktiv zu kommunizieren und somit ehrlich zu sein, ohne Missstände zu beschönigen. Ich glaube daran, dass Menschen, die eine Haltung haben, erfolgreicher und nachhaltiger kommunizieren. Und schließlich bin ich überzeugt davon, dass Geschichten eher im Gedächtnis bleiben als Zahlen. Kommunikatoren sollten also imstande und willens sein, aus dem Stegreif Geschichten zu erzählen.

Im Laufe deines Berufslebens hast Du wohl unzählige Kommunikations-Kampagnen umgesetzt. Welche ist dir am nachhaltigsten im Gedächtnis geblieben und warum?

Um ehrlich zu sein: So ganz stimmt das nicht. Ich bin kein großer Freund von Kampagnen. Weder in der PR noch im Marketing. Ich glaube daran, dass Kommunikation fortlaufend und verlässlich sein muss. Sie lässt sich nicht wie eine Lampe an- und wieder ausmachen. Darum bin ich auch vor allem auf die Dinge stolz, die ich einst angestoßen habe und die heute – teilweise ohne mein Zutun – immer noch bestehen. Für die E-Plus Gruppe haben wir 2010 UdL Digital entwickelt. Das war eine Initiative, die digitale Kommunikation und alles, wofür digitale Kommunikation steht, also Offenheit, Transparenz und Partizipation, ermöglichen sollte. UdL Digital gibt es 2017 immer noch und funktioniert bis heute sehr gut.

Ich bin auch sehr glücklich, dass das Thema Influencer Marketing, was ich in meiner Zeit bei GLOSSYBOX strategisch entwickelt habe, auf diese Weise fortgeführt und sogar ausgebaut wird. Und dann bin ich immer wieder froh, wenn Dinge, die ich nun auf Agentur-Seite mit und für meine Auftraggeber entwickle, angenommen und umgesetzt werden. Kurz: Ich möchte etwas anstoßen und mit diesem Anstoß etwas bewirken. Mir geht es darum, mithilfe meiner Arbeit Probleme zu lösen. Wenn mir das gelingt, dann habe ich mein Ziel erreicht und bin zufrieden.

Was sollte ein PR-Mensch im Job auf jeden Fall vermeiden? An welches negative PR-Erlebnis erinnerst du dich?

Ich habe das große Glück, dass ich in den nun mehr als zwölf Jahren, die ich in der PR tätig bin, kaum negative Erfahrungen machen musste. Auch in Krisen sehe ich eine Chance. Für manche Unternehmen oder Organisationen sind Krisen sogar notwendig, um über eine lange Zeit eine gute Geschichte erzählen zu können. Das weiß man dann zwar oft erst hinterher, aber in jedem negativen Ereignis sehe ich einen kleinen Teil einer großen, guten Geschichte.

Was im PR-Job auf jeden Fall nicht hilfreich ist, ist Angst. Angst davor, ans Telefon zu gehen. Angst vor der Kommunikation. Angst davor, Fehler zu machen. Kommunikation ist keine Mathematik. 1+1 kann in der Kommunikation ebenso 2 bedeuten wie 3. Viele Wege führen nach Rom, und nur der, der bereit ist, neue Wege zu gehen und davor keine Angst hat, wird überraschen und in vielen Fällen begeistern.

Hast du auch mal ein Projekt gehabt, das richtig in die Hose gegangen ist?

Wie gesagt: In Projekten denke ich nicht. Aber natürlich geht nicht immer alles gut. Das ist ja auch ganz normal. Ich versuche in Momenten, in denen ich natürlich auch enttäuscht bin, wenn etwas nicht funktioniert, mich dafür zu sensibilisieren, dass dieser Augenblick ganz besonders wertvoll ist, weil ich etwas lernen kann. Fehler zu machen, ist ok. Fehler zu wiederholen, hingegen nicht.

Was rätst Du jungen Menschen, die in die Kommunikationsbranche möchten? Welchen Weg sollten sie einschlagen?

Ich vertrete die These, dass man für eine Karriere, auch für eine große Karriere, in der PR nicht zwangsläufig über ein abgeschlossenes Studium verfügen muss. Ich habe Jura sowie Angewandte Medienwirtschaft mit dem Schwerpunkt PR studiert. Und obwohl ich schon so nah am Thema dran war, habe ich doch im Studium nicht wirklich das gelernt, worauf es im Job dann später ankommt.

Wenn sich jemand bei mir bewirbt, schaue ich erst einmal: Wie kommuniziert die Person im Netz? Ist sie imstande, sich selbst ordentlich zu positionieren? Kennt sie sich mit digitaler Kommunikation aus? Verfügt sie über eine ordentliche Schreibe? Ist sie neugierig? Wie geht sie mit plötzlichem Stress um? All diese Fragen sind für mich deutlich wichtiger als die, ob jemand studiert hat. Ein (abgeschlossenes) Studium ist ein Bonus, aber in meinen Augen kein Muss.

Wie sinnvoll ist es, als PR-Mensch auch mal in einer Redaktion gearbeitet zu haben?

Es schadet gewiss nicht. Zum einen lernst du in der Redaktion gegen die Uhr zu arbeiten. Diese Erfahrung ist sehr wertvoll. Zum anderen verstehst du, welche Arten von Geschichten bei Journalisten gefragt sind, wie Journalisten denken und arbeiten. Wenn du das verinnerlichst, hilft es dir zum einen in der klassischen Medienarbeit, also in der Ansprache von Journalisten, und zum anderen natürlich auch in der digitalen Kommunikation, weil Content Strategie und die Produktion von gutem Content, hierbei einer der wesentlichsten Schlüssel zum Erfolg ist.

Welches Unternehmen / welche Marke leistet deiner (ganz persönlichen) Meinung nach richtig gute PR-Arbeit und was beeindruckt dich daran?

Microsoft. Das Unternehmen vollzieht gerade einen enormen Transformationsprozess. Dieser wird durch die Kommunikationsarbeit, wie ich finde, sehr gut sichtbar: Viele Mitarbeiter – nicht nur solche aus der Kommunikationsabteilung – agieren auf Social Media und machen dabei keine Werbung für Microsoft-Produkte sondern gewähren tolle Einblicke ins Unternehmen. So wirkt das Ganze nicht störend sondern authentisch.

Spannend finde ich auch, wie Philipp Schindera die Kommunikationsabteilung bei der Telekom aufgestellt hat, indem er etwa einen Content Newsdesk installiert hat. Aber nicht nur deutsche Konzerne leisten hervorragende Kommunikationsarbeit: Mir gefällt es auch, wie Zalando, Amazon oder mymuesli (hier bin ich als Berater involviert) kommunizieren.

Braucht jedes Unternehmen eine Facebookseite und einen Twitterkanal oder ist es manchmal sinnvoller, dort nicht vertreten zu sein?

Letztendlich ist alles eine Frage nach Aufmerksamkeit. Möchtest du welche, oder nicht? Facebook wird von einem Großteil der Menschheit genutzt. Über Ads kannst Du mit deiner Botschaft oder deinem Produkt auf der Plattform jeden sehr zielgerichtet erreichen – auch den Ansprechpartner für B2B-Marketing eines Pharma-Riesen. Insofern kann ich nicht ganz nachvollziehen, wenn Kommunikationsverantwortliche sich genüsslich in ihren schweren Ledersessel zurücklehnen und davon ausgehen, dass ihre Zielgruppe nicht auf facebook aktiv ist.

Ich bin Fan eures Podcasts „Talking Digital“. Stell ihn doch mal bitte kurz vor.

Timo Lommatzsch und ich betreiben den Talking Digital-Podcast seit Anfang des Jahres. Alle zwei Wochen haben wir jemanden zu Gast, mit dem wir uns über spezielle Facetten der Kommunikation austauschen. Unser Ansatz dabei ist: Wir wollen von unseren Gästen so viel lernen wie möglich. Damit auch unsere Hörer von ihnen profitieren. Also stellen wir Fragen, auf die wir selbst keine oder keine für uns zufriedenstellende Antwort haben. Wir hatten schon so tolle Leute wie Magdalena Rogl von Microsoft, Frank Behrendt von Serviceplan oder Philipp Schindera von der Telekom zu Gast, und demnächst kommen noch viele weitere tolle und inspirierende Gäste.

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Denkst du, das Thema Podcast wird in Deutschland vernachlässigt?

Podcasts erfreuen sich seit einigen Monaten ordentlicher Aufmerksamkeit. Insofern hoffe ich, dass dieser Trend anhält und noch mehr Leute auf das Medium aufspringen. Es lohnt sich: Da draußen gibt es so viele Podcasts, von denen man so viel lernen kann. Aus PR-Sicht denke ich, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis die ersten Unternehmen – auch in Deutschland – gute Podcasts produzieren. Mymuesli und Einhorn-Kondome haben ja schon vorgelegt.

Du bist Experte in Sachen Influencer-Marketing. Wie erkenne ich als Unternehmen welcher Influencer zu mir passen könnte?

Dafür muss ich in erster Linie wissen, wer ich als Marke bin, wofür ich stehe und was ich erreichen möchte. Dann ist es gar nicht mehr so schwierig, die passenden Influencer zu identifizieren. Das Problem ist, dass die meisten diese drei Fragen aber gar nicht beantworten können und dann zwangsläufig auf dummen Kennzahlen, vor allem die Anzahl der Follower, schauen. Und damit beginnen die Probleme, weil das in der Regel der Anfang einer total unnötigen und überflüssigen Kampagne ist. Wer Influencer Marketing richtig machen will, muss vor allem bereit sein, in die Auswahl der richtigen Influencer Zeit zu investieren.

Was sind für dich –ganz spontan- die drei wichtigsten Regeln in der Zusammenarbeit mit Influencern?

Erstens: Respektiere den Influencer. Sie oder er ist bestimmt nicht so groß und – auch für dich – wichtig geworden, weil sie oder er hier und da einfach mal ein paar Fotos macht. Zweitens: Sei transparent. Es ist absolut ok und richtig, mit Influencern zusammenzuarbeiten. Nicht ok und nicht richtig ist es aber, wenn niemand mitbekommen soll, dass Geld fließt. Es gibt klare Gesetze, die sagen: Kommt es zu einem Auftrag, muss dieser entsprechend gekennzeichnet werden. Drittens: Sei offen. Du hast dir tolle Gedanken gemacht, was du haben möchtest? Sehr gut. Aber lass dich auch auf die Gedanken des Influencers ein. Sie oder er sticht nicht ohne Grund aus der Masse heraus. Diskutiert miteinander. Lernt voneinander. Lasst euch aufeinander richtig ein.

Was ist Dir persönlich im Umgang mit Medien / Journalisten wichtig?

Vertrauen. Ich mache meinen Job seit nunmehr über 15 Jahren und plane nicht, morgen in Rente zu gehen. Insofern ist es mir ungemein wichtig, dass sich Journalisten und Blogger auf mein Wort verlassen können. Deswegen arbeite ich auch tatsächlich nur für Unternehmen und Menschen, an die ich glaube und hinter deren Mission ich zu 100 Prozent stehe.

Könntest du dir vorstellen wieder als Journalist zu arbeiten?

Wahrscheinlich wird bis an mein Lebensende mein Herz zu 30 Prozent für den Journalismus und zu 70 Prozent für die PR schlagen. Ich liebe es, gute Geschichten zu entdecken. Wenn mir das gelingt, denke ich tatsächlich erst wie ein Journalist und baue ein entsprechendes journalistisches Format in meinem Kopf und überlege dann, wem ich dieses – dann bin ich also ganz PRler – am ehesten anbieten kann.

Vielen Dank für das spannende, ausführliche Interview, lieber Sachar! 

9 Gedanken zu „„Unternehmen sollten Gesichter zeigen!“

    • PRleben sagt:

      Vielen Dank für deinen Kommentar und das Lesen des Artikels 😉
      Von Sachar Klein können Kommunikatoren so einiges lernen.
      Viele Grüße
      Verena

  1. Stefan Keuchel sagt:

    Sachar ist der BESTE.
    Er sagt was er denkt und tut, was er sagt. Und er ist immer aufgeschlossen für Neues und auch andere Standpunkte. So soll es sein.
    Von Sachar können sich viele in der Branche eine dicke Scheibe abschneiden…..

    • PRleben sagt:

      Lieber Stefan,
      vielen Dank für deinen Kommentar. Du hast ja so recht. Dem ist wirklich nichts mehr hinzuzufügen.
      Es ist erschreckend, wie viele Menschen in dieser Branche leider nicht so vorbildlich sind. Aber wir orientieren uns einfach an den richtigen Vorbildern 🙂
      Viele Grüße
      Verena

  2. Wilhelm sagt:

    Ein super spannedes Interview, vielen Dank!
    Ich persönlich ma allerdings podcast nicht immer, es kommt darauf an, oft lese ich lieber weil ich dafür weniger Zeit brauche und die Informationen schneller nach Wichtigkeit für mein Anliegen filtern kann. Liebe Grüße!

    • PRleben sagt:

      Sehr gerne! Vielen Dank für das Feedback. Wie man sich weiterbildet ist ja eigentlich vollkommen egal, Hauptsache man tut es 🙂
      Ich kenne das mit dem Lesen. Das mache ich auch viel und gerne. Und das sogar in „echten“ Büchern in denen ich mir interessante Dinge anstreichen und ggf. Notizen hinzufügen kann.
      Viele Grüße
      Verena Bender

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