„PR-Menschen, die nur Termine verteilen, haben wir ‚Zettel-Verteiler‘ genannt“

Welche Automarke großartige und welche grottenschlechte Pressearbeit macht, was sie von Interview-Autorisierungen hält und wer der beste PR-Manager ist, den  sich ein Journalist wünschen kann …:) Über diese und viele andere Themen spricht die BamS-Chefreporterin Nicola Pohl bei PRleben.

  1. Was genau ist dein Job und wie bist du dazu gekommen?

Seit 1. April bin ich Chefreporterin bei der BILD am SONNTAG im Bereich Stars&Kultur – eine Art Rückkehr nach viereinhalb Jahren in der Sportredaktion als Formel-1-Korrespondentin.  Davor habe ich bereits acht Jahre lang in der BamS-Unterhaltung mein Unwesen getrieben.

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(© Niels Starnick)

  1. Wie kommst du in deinem Beruf am häufigsten an gute Geschichten, Informationen? Social Media, Newsseiten im Netz, persönliche Kontakte, eigene Recherche…

Social Media hilft mir persönlich in den wenigsten Fällen bei Geschichten  – wenn überhaupt dann samstags, wenn wir aktuell für den Erscheinungstag am Sonntag arbeiten. Ansonsten landen solche Geschichten (Heidi Klum trägt ’nen Vito-Pulli, OH SCHRECK!) gleich im Internet oder in der Zeitung vom nächsten Tag – für uns als Sonntagszeitung also unbrauchbar. Social Media ist für mich lediglich eine Inspirationshilfe.

Ich bekomme meine Informationen meistens eher über persönliche Kontakte. Mal abends mit jemandem essen gehen, über Hintergründe plaudern und so neue Ideen bekommen. Hat man so eine kleine, exklusive Information ergattert, gehe ich ihr in persönlicher Recherche nach, um sie zu verifizieren (wenn die Quelle nicht 100 Prozent sicher war) oder um Meinungen (O-Töne) und mehr Informationen zu diesem Thema zu bekommen.

  1. Was ist deine Meinung zu Interviewfreigaben? Welches Erlebnis ist dir diesbezüglich am meisten im Gedächtnis?

Mein bisher schlimmstes Erlebnis hatte ich mit Alexandra Neldel. Da bekam ich nach der Autorisierung ein zu 70% gestrichenes Interview zurück. Das hab ich bis heute aufgehoben. Schade, sie war eigentlich sehr nett und sympathisch. Mein jüngstes Beispiel, was Frau Neldel wahrscheinlich sogar toppt: die Teilnehmerin einer aktuellen Tanzshow! Die Kurzfassung: Wir reden eine Stunde bei Kaffee und Apfelschorle, sie bedankt sich nachher sehr nett – und streicht zwei Tage später fast das ganze Interview durch, inklusive meiner Fragen. Da war ich sprachlos. Schade, ich war für das Interview extra an einem freien Tag zu ihr nach Hamburg gefahren.

  1. Bist du als Print-Redakteurin auch für die Onlineberichterstattung eures Mediums zuständig? Wie sieht die Zusammenarbeit zwischen den Bereichen Print und Online aus? Wie hat sich dein Job in den letzten Jahren diesbezüglich verändert?

Zu meiner Zeit in der BILD-Sportredaktion hab ich schlicht und ergreifend beides gemacht. Eine Geschichte, die nicht „zu halten“ ist, geht im Tageszeitungsjournalismus einfach sofort online. Das ist praktisch, macht die Arbeit aber auch intensiver und hektischer. Bei der BamS gehen unsere Artikel im Laufe des Sonntags automatisch online. Auf der anderen Seite ist das Frustpotential bei einer Wochenzeitung natürlich größer, weil von Dienstag bis Freitag leider oft Geschichten „wegplatzen“, also in anderen Medien auftauchen.

  1. Du bekommst regelmäßig Angebote von PR-Menschen. Was bedeutet für dich gute PR? Kannst du sagen, welche Eigenschaften ein guter PR-Mensch mitbringen sollte?

Gute PR bedeutet helfen, vermitteln, vorschlagen – und nicht verhindern! Ein guter PR-Mensch sollte wissen, was wir als Journalisten wirklich brauchen. Es macht deshalb absolut Sinn, wenn jeder PR-Mensch auch mal bei einer Zeitung etc. reingeschnuppert, mitgearbeitet hat etc. – DAS ist eine Einladung, unsere Türen stehen immer offen!

Ein guter PR-Mensch weiß auch, dass Interviews keine Werbeanzeigen sind. Mir wird mittlerweile schlecht, wenn PR-Mensch X erwartet, dass ich bei einem Interview mit Promi Y ausschließlich über das „Produkt“ spreche,  für das er gerade Werbung macht und natürlich viel Geld bekommt. Erwähnen – Ja. hauptsächlich thematisieren – Nein! Bei Filmen und Musik ist das etwas anderes, das hat journalistischen Wert. Alles andere: Nein, Dankeschön.

  1. Was sollte ein PR-Mensch im Job auf jeden Fall vermeiden? Gab es mal ein negatives PR-Erlebnis?

Vermeiden? Fragen vorschreiben. Denken, dass wir doof sind (Thema „Büro-Hopping“). Interviews „tot autorisieren“, obwohl der Prominente selbst damit total einverstanden wäre.  Die totale Kontrolle über den journalistischen Beitrag haben wollen, also z.B. Überschriften, Bildunterschriften etc. bestimmen).  Einen Interviewfluss wegen ein oder zwei Minuten Überziehung stoppen – bringt keinem was und nervt noch dazu.

  1. Kannst du dich an eine PR-Aktion erinnern, die du richtig gut fandest?

Natürlich, da gibt es viele gute Beispiele. PR-Kollegen, die wirklich etwas über die Projekte ihrer Klienten wissen, sind natürlich überaus hilfreich. Weil sie journalistisch denken, hier und da mal eine kleine exklusive Information fallen lassen – weil sie wissen, dass daraus eine große Geschichte über IHREN Promi zu erwarten ist.  Da helfen wir im Gegenzug auch mal bei kleineren Projekten, kleineren Prominenten und das SEHR GERNE.

PR-Menschen, die nur Termine verteilen und VÖ-Daten rausgeben (dürfen), haben wir in der Formel 1 manchmal „Zettel-Verteiler“ genannt. Es gibt leider viele PR-Kollegen, die zu wenig Courage, Mut und Selbstbewusstsein bei Ihrer Arbeit haben.  Die Angst haben, dass sie zu viel sagen, etwas Falsches sagen. Das spricht sich in der Branche natürlich schnell herum.

Richtig gut finde ich übrigens auch, wenn ich bei einem PR-Menschen weiß, dass er mir bei Anfragen wirklich versucht zu helfen! Dass er WIRKLICH versucht, ein Zitat von Promi XY zu bekommen und die Anfrage nicht stumm und leise versickern lässt. Weil er Angst hat, den  Prominenten selbst anrufen zu müssen und ihm gegebenenfalls eine unangenehme Frage stellen muss. Müssen WIR fast jeden Tag tun!  Wenn ich also merke oder die Erfahrung mir zeigt, dass dieser PR-Mensch 0,0% hilfreich ist, dann lerne ich daraus, dass ich den Hörer einfach selbst in die Hand nehme und den entsprechenden Prominenten anrufe.

  1. Welches Unternehmen / welche Marke leistet deiner Meinung nach richtig gute Öffentlichkeitsarbeit und warum,… was beeindruckt dich daran?

Mercedes macht (z.B. in der Formel 1) sehr gute Pressearbeit. Man wird immer zuverlässig zurückgerufen. Man wird fair behandelt. Und man bekommt immer mal wieder kleine exklusive Stücke zugespielt (u.a. Interviews im Helikopter mit Nico Rosberg) – was wichtig ist, denn Exklusivität ist und bleibt die stärkste Währung. Man muss bei so einem bemühten Partner nur aufpassen, dass man sich nicht zu sehr  einspannen lässt, da muss ein gesundes Gleichgewicht erhalten bleiben. Ferrari beispielsweise macht wahnsinnig schlechte Pressearbeit. Sehr arrogant, nur auf italienische Medien ausgerichtet, obwohl Deutschland ein VIEL größerer Markt für Ihre Autos ist. Das ging zum Ende meiner Formel-1-Zeit sogar so weit, dass der Ferrari-Pressesprecher den persönlichen Kontakt zum Fahrer (der seit vielen Jahren bestand) verbieten wollte. So etwas hilft keinem wirklich weiter.

  1. Könntest du dir vorstellen vom Journalismus in die PR zu wechseln? Warum /warum nicht?

Ehrlich gesagt: Warum nicht. Nach 13 Jahren im Journalismus weiß man genau, welche Geschichten man welchem Medium anbieten könnte. Bestes Beispiel aus diesem Bereich ist mein Kollege Georg Nolte, der über sieben Jahre bei der BILD im Sport gearbeitet hat und jetzt PR-Manager von Nico Rosberg ist. Georg ist das Beste, was einem als Journalistin passieren kann – und das meine ich auch, wenn es um die Bewältigung von Krisensituationen seines Klienten geht. Vielleicht wäre er ja spannend für das nächste Interview…

Absolut! Vielen Dank für den Tipp und die spannenden Antworten!

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